Stromboerse Wikipedia
Eine Strombörse ist ein organisierter Markt für Strom, der ähnlich wie eine Wertpapierbörse funktioniert. Als Produkte werden zeitlich abgegrenzte Mengen an Strom gehandelt. Der Vorteil des Stromhandels an der Börse ist die Bündelung von Angebot und Nachfrage, wodurch eine hohe Liquidität erreicht werden kann. Standardisierte Produkte ermöglichen einen geregelten Handel und schaffen einfache Vergleichsinstrumente, wodurch die Verhandlungskosten sinken. Volkswirtschaftlich entsteht eine optimale Allokation.
Entstehung
Durch die Liberalisierung der europäischen Elektrizitätsmärkte hat das Thema Stromhandel für die Energieversorger stark an Bedeutung gewonnen. Vor der Liberalisierung wurde der Strom zumeist bei einigen wenigen Lieferanten bezogen und zu den Kunden in den jeweiligen Versorgungsgebieten weiterverkauft. Diese langfristigen Lieferverträge weichen immer mehr Verträgen mit kurzfristiger Dauer. Strom- und Stromterminbörsen sind dadurch ein wichtiger Aspekt der veränderten Wettbewerbssituation geworden, da sie, wie andere Börsen auch, den Abschluss von Verträgen zu marktgerechten Preisen ermöglichen. Mit der Etablierung der Strombörse löste eine Preisbildung auf Grundlage der Grenzkosten der Stromerzeugung zunehmend die zu Beginn der Liberalisierung vorherrschende Preisbildung auf Grundlage der Durchschnittskosten der Stromerzeugung ab.[1]
Die Vorreiterrolle in diesem Bereich der europäischen Strombranche hat die skandinavische Strombörse Nord Pool übernommen, die durch die frühe Liberalisierung des Strommarktes in Skandinavien im Jahr 1993 entstanden ist. In Amsterdam wurde 1999 die Amsterdam Power Exchange (APX) gegründet, 2000 die Energiebörse European Energy Exchange (EEX) in Frankfurt am Main und die Leipzig Power Exchange (LPX), die im Jahr 2002 zur EEX mit Sitz in Leipzig fusionierten (Leipziger Strombörse). Seit der Liberalisierung des österreichischen Marktes im Jahr 2001 gibt es auch in Österreich eine Strombörse, die Energy Exchange Austria (EXAA).
Handelsverfahren
Um die technischen Gegebenheiten des Stroms und des Strommarktes zu berücksichtigen, werden unterschiedliche Handelsverfahren eingesetzt. Das bei Strombörsen häufigste Auktionsverfahren ist die zweiseitige Auktion (Double Auction), auf der beide Seiten des Marktes agieren und gleichzeitig Kauf- als auch Verkaufsorder möglich sind.
Die zeitliche Verfügbarkeit ist bei Strombörsen ein wichtiges Kriterium, da z.B. Stromverteiler umgehend auf Wetterprognosen reagieren, um die unterschiedliche Nachfrage befriedigen zu können. Im fortlaufenden Handel kann permanent auf neue Informationen reagiert werden, während dies beim Handel zu festen Zeitpunkten nicht möglich ist. Der Nachteil des fortlaufenden Handels ist, dass dadurch die Volatilität, also die Schwankungen des Strompreises, steigen kann. Der Handel zu festen Zeitpunkten bündelt die Liquidität (die Menge der angebotenen bzw. nachgefragten Ware) und verringert dadurch die Volatilität. Die Volatilität wird zumeist als negativ angesehen, da der Preis nicht immer den Marktwert widerspiegelt. Jedoch werden dadurch Hedging– und Spekulationsstrategien möglich.
Produkte an der Strombörse
Die Nachfrage im Strommarkt ist vor allem durch zeitlich differenziertes Verbraucherverhalten gekennzeichnet (Lastprofil). Um diesem Umstand gerecht zu werden, unterscheiden sich die angebotenen Produkte an einer Strombörse vor allem durch die zeitliche Länge der Lieferung. Weiters vereinfachen die Blockprodukte den Handel an der Börse.
Am Terminmarkt werden langfristige Geschäfte mit einer Laufzeit von bis zu mehreren Jahren getätigt. Dadurch können die Teilnehmer eine sichere Grundversorgung über einen längeren Zeitraum hinweg gewährleisten. Da sich Strom aber nicht ökonomisch speichern lässt, werden am Spotmarkt Produkte mit kürzerer Laufzeit gehandelt. Baseload-Blöcke sollen dabei die Grundlast eines Tages abdecken.
Ein 24-h-Block bedeutet die Lieferung elektrischer Energie mit konstanter Leistung in der Zeit von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr. Die Handelseinheit sind 24 MWh, das entspricht einer konstanten Leistung von 1 MW. Um die stärkere Nachfrage am Tag gegenüber der Nacht zu berücksichtigen, werden zwischen 8:00 Uhr und 20:00 Uhr Peakload-Blöcke (Spitzenlast) angeboten mit einer Handelseinheit von 12 MWh, was wiederum 1 MW konstanter Leistung entspricht. Um noch feinere Abstufungen in der Tageslastlinie zu ermöglichen, können zusätzlich noch Einzelstundenkontrakte gehandelt werden. Als Off-Peak bezeichnet man die Blöcke vor und nach einem Peakload Block, zeitlich betrachtet also von 0:00 Uhr bis 8:00 Uhr und von 20:00 Uhr bis 24:00 Uhr.
Regelenergie ist die von Elektrizitätswerken zur Ausregelung zwischen Stromnachfrage und -angebot bereitgehaltene Reserve, die je nach den aktuellen Lastschwankungen von einer Netzgesellschaft in Anspruch genommen wird. Die Primärregelung gleicht automatisch und unverzüglich Schwankungen im Sekundenbereich durch Regelung der Turbinenleistung aus, mit der Sekundärregelung soll der Sollwert der Frequenz innerhalb von 15 Minuten wieder erreicht werden; dies geschieht durch Verwendung zusätzlicher Kraftwerkskapazitäten. Die Tertiärregelung wird heute manuell aktiviert, wenn die Sekundärregelung nicht mehr ausreicht. Neben dem langfristigen Termin- und dem kurzfristigen Spotmarkt ist der Regelenergiemarkt der Echtzeitmarkt.
Prognose
Ein wichtiges Forschungsgebiet in Zusammenhang mit Strombörsen sind Prognoseverfahren. Diese sollen wichtige Informationen wie die Preisentwicklung generieren, um sinnvolle Kraftwerkslaufzeiten und Preissicherung zu ermöglichen. Lastgänge werden prognostiziert, um optimale Einkaufsmengen festzulegen. Um Preissicherung zu ermöglichen, müssen die Erlöse mindestens die Grenzkosten je Kraftwerkstyp decken. Wasserkraftwerke weisen in der Regel niedrige, kalorische Kraftwerke (Wärmekraftwerke) mittlere und Pumpspeicherkraftwerke hohe Grenzkosten auf. Langfristig müssen am Markt natürlich die Vollkosten gedeckt werden.
Kritik
Praktiken des durch einen Unternehmensskandal in die Schlagzeilen gekommenen US-amerikanischen Energieunternehmens Enron offenbaren jedoch auch Schattenseiten des Handels von Strom über die Börse. Durch manipulative Spekulation und Eingabe falscher Kaufs- und Verkaufsdaten ist es Enron gelungen, künstlich Strom-Engpässe zu erzeugen. Durch die scheinbar erhöhte Nachfrage und das geringere Angebot kam es zu sprunghaften Preissteigerungen, die das Unternehmen ausnutzen konnte und die in Kalifornien auch Stromausfälle zur Folge hatten. Neben diesen Manipulationen auf dem Termin- und Spotmarkt konnte Enron auch durch Bilanzmanipulation und das Auftreten als Energiebroker längerfristig die Preise anheben.
Möglich sind solche Manipulationen vor allem bei unbeaufsichtigten und intransparenten Terminkontrakten. Im Falle von Enron wurden damals die Energiederivate nicht von staatlicher Stelle kontrolliert. Aus diesem Grund kann eine Regulierung notwendig werden, auch wenn dadurch das sonst gewünschte freie Spiel der Kräfte am Markt eingeschränkt wird.
In Europa wird ein derartiger Fall aufgrund abweichender Strukturen für eher unwahrscheinlich gehalten. Ähnliche Preismanipulationen wurden jedoch auch schon in Deutschland vermutet. Im Sommer 2005 wurden beispielsweise Vermutungen laut, dass die großen deutschen Energiekonzerne (E.ON, EnBW, RWE, Vattenfall Europe) den Strompreis manipulieren [2]. In Diskussionen wird häufig das Handelsvolumen an der EEX kritisiert. Am Terminmarkt, an dem Erzeugungs- und Vertriebsmengen langfristig preislich gesichert werden, wurden 2006 1.044 TWh gehandelt (zum Vergleich: Stromverbrauch in Deutschland 531 TWh). Am Spotmarkt betrug das Handelsvolumen an der EEX 89 TWh.[3] Der an der Börse ermittelte Preis wird aber meist auch für die überwiegende Anzahl der außerbörslichen Kontrakte übernommen.